Internationale Experten und Expertinnen begutachten steinzeitliches Keramikgeschirr im Museum Mondsee
Die Pfahlbauforschung in Österreich hat viel aufzuholen. Während in den Nachbarländern wie der Schweiz und in Deutschland über viele Jahrzehnte hinweg intensiv geforscht wurde, schlummerten die steinzeitlichen Siedlungen unter dem Wasserspiegel des Mondsees und des Attersees seit den 80er Jahren weitgehend unbeachtet im Dornröschenschlaf. Seit 2011, als die prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen wurden, kommt die Forschung dafür aber auch hierzulande umso intensiver in den Gänge (Stichwort Landesausstellung).
Die Pfahlbausammlung in Mondsee – ein herausragendes Ensemble
Wichtig sind dabei vor allem neue Ausgrabungen und große internationale Forschungsprojekte. Zusätzlich wird aber auch versucht, den altbekannten Fundbeständen neue Aussagen zu entlocken. So zuletzt Anfang Oktober, als sich im Rahmen eines Wochenendworkshops Keramikexpertinnen und -experten im „Steinernen Saal“ des Pfahlbaumuseums Mondsee einfanden.
Die große Menge und die Vielfalt der im Museum ausgestellten Funde lassen wohl bei den meisten Besucherinnen und Besuchern einen bleibenden Eindruck zurück. Auch die Archäologenherzen beginnen schneller zu schlagen: Von Werkzeugen, Waffen und Schmuck (aus verschiedenen Rohmaterialien wie Kupfer, Knochen, Holz und Stein) bis hin zu reich verziertem Trinkgeschirr und großvolumigen Vorratstöpfen aus Keramik – ein Gutteil der Funde ist exzellent erhalten. Der einzige Wehmutstropfen: Sie stammen aus alten Bergungen ohne genaue Dokumentation, sodass wir z.B. nicht wissen, wie alt sie genau sind und wie sich die Keramik stilistisch während der jahrhundertelangen Nutzung der Seeufer verändert hat.
Nachbarschaftshilfe
Nähere Schlussfolgerungen zu diesen Funden müssen beim derzeitigen Forschungsstand daher über Vergleiche mit Nachbarregionen getroffen werden. Dazu zählt Süddeutschland. Bereits vor zirka einem Jahr äußerten die ArchäologInnen Renate Ebersbach und Philipp Gleich, die von dort im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts „Beyond Lage Villages“ angereist waren, während einer Museumsführung den Verdacht, dass sich Ähnlichkeiten im Fundmaterial der beiden Regionen feststellen lassen könnten. Auf ihren Vorschlag hin wurde dies im Zeitraum 5. bis 7. Oktober in einem von der Universität Wien organisierten Workshop genauer überprüft. Zu diesem reisten etwa ein Dutzend Steinzeitforscher aus Süddeutschland, aber auch aus Wien an.
Töpfe auf dem Fließband
Unter der Betreuung von Kustos Andreas Maderecker, dem für die Ermöglichung des Workshops sehr herzlich zu danken ist, wurden die Vitrinen des „Steinernen Saals“ aufgeschraubt und eine fließbandartige „Bestimmungsstraße“ eingerichtet. Alle interessant aussehenden Objekte wurden vorsichtig entnommen, systematisch begutachtet und die Aussagen der anwesenden Keramikkenner getrennt protokolliert. Denn häufig ist bei der Bestimmung von Funden das folgende Phänomen zu erkennen: Man befrage 5 ArchäologInnen und erhalte 3 verschiedene Meinungen.
Im aktuellen Fall unterschieden sich die Datierungsvorschläge jedoch meist nicht so stark. Es wurden sowohl mutmaßlich relativ alte Gefäßformen und Verzierungen identifiziert (die evtl. in die Zeit um 4.000 v. Chr. datieren könnten), als auch eher junge (die möglicherweise eine Besiedelung im 3. Jahrtausend v. Chr. belegen). Interessant sind dabei nicht nur Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Funden aus Süddeutschland, sondern auch stilistische Verbindungen über die Alpen in Richtung Keutschacher See in Kärnten, wo sich gleichfalls eine Pfahlbausiedlung des UNESCO-Welterbes befindet.
Die Funde aus den neuen Grabungen
Das angefertigte Bestimmungsprotokoll liefert gute Hinweise und Ideen für weitere Forschungen. Immens wichtig ist aber die Überprüfung der Hypothesen durch Funde aus neuen, mit modernen Analysetechniken durchgeführten Grabungen.
Auch dies war im Rahmen des Workshops erstmals möglich. Von Henrik Pohl (Kuratorium Pfahlbauten – Site Manager für das UNESCO-Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ in Oberösterreich) wurde dankenswerterweise frisch restauriertes Fundmaterial präsentiert, das aus neuen Surveys und Grabungen stammt, die im Vorfeld der Landesausstellung 2027 vom Oberösterreichischen Landesmuseum und vom Kuratorium Pfahlbauten durchgeführt werden.
Die Abschlussexkursion am Sonntag
Der Workshop fand am Sonntag einen gemütlichen Ausklang. Der harte Kern der TeilnehmerInnen stattete zuerst den Fundstellen See am Mondsee und Lenzing-Burgstall einen Besuch im Gelände ab. Im Anschluss gab es eine Führung von Helmut Kasbauer durch das Heimathaus Vöcklabruck, das gleichfalls eine ansehnliche Pfahlbausammlung besitzt. Dort stürzte sich die Runde gleich wieder wie eine hungrige Meute auf einige besondere Highlights unter den Fundstücken!
Die Ergebnisse
Das Protokoll des Workshops wird nicht nur den TeilnehmerInnen, sondern auch dem Pfahlbaumuseum Mondsee und anderen Projektpartnern zur Verfügung gestellt. Es bildet eine Arbeitsgrundlage für zukünftige Forschungen zur typologischen Entwicklung der Funde aus den oberösterreichischen Pfahlbauten.
Text: Jakob Maurer, Univ. Wien.
Ein steinzeitlicher Kochtopf wird begutachtet.
Foto: Jakob Maurer, Univ. Wien.
Keramikworkshop im „Steinernen Saal“ des Pfahlbaumuseums. Gruppenfoto der TeilnehmerInnen: Renate Ebersbach, Thomas Link, Henrik Pohl,
Philipp Gleich, Gerald Egger, Oliver Schmitsberger, Helena Seidl da Fonseca, Joachim Pechtl, André Spatzier, Jakob Maurer. Nicht im Bild: Kerstin Kowarik, Timothy Taylor.
Foto: Jakob Maurer, Univ. Wien.
Bei der Abschlussexkursion des Workshops wurde auch die berühmte Fundstelle „See am Mondsee“ besucht.
Foto: Timothy Taylor, Univ. Wien.